„Dass es mir zum Beispiel niemals zum Bewußtsein gekommen ist, wieviel Gesichter es giebt. Es giebt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesichter, denn jeder hat mehrere. Da sind Leute, die tragen ein Gesicht jahrelang, natürlich nutzt es sich ab, es wird schmutzig, es bricht in den Falten, es weitet sich aus wie Handschuhe, die man auf der Reise getragen hat. Das sind sparsame, einfache Leute; sie wechseln es nicht, sie lassen es nicht einmal reinigen. Es sei gut genug, behaupten sie, und wer kann ihnen das Gegenteil nachweisen? Nun fragt es sich freilich, da sie mehrere Gesichter haben, was tun sie mit den andern? Sie heben sie auf. Ihre Kinder sollen sie tragen. Aber es kommt auch vor, dass ihre Hunde damit ausgehen.
Weshalb auch nicht?.
Gesicht ist Gesicht.
Andere Leute setzen unheimlich schnell ihre Gesichter auf, eins nach dem andern, und tragen sie ab, Es scheint ihnen zuerst, sie hätten für immer, aber sie sind kaum vierzig; da ist schon das letzte. Das hat natürlich seine Tragik. Sie sind nicht gewohnt, Gesichter zu schonen, ihr letztes ist in acht Tagen durch, hat Löcher, ist an vielen Stellen dünn wie Papier, und da kommt dann nach und nach die Unterlage heraus, das Nichtgesicht, und sie gehen damit herum.“
Rainer Maria Rilke(Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge)
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"Was kann denn dabei noch rauskommen, wenn ich mal schwanger bin?"(besorgte Frage einer Frau beim Arzt)
"... ein Kind."
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Telefonisch vereinbare ich einen Termin zur Kopfkorrektur, zur Farbumkehr. Erneuerung.
Hoffnungsfroh und bang zugleich. Schwerter zu Kämmen.
Eine Notbanane war in der Tasche. Wie sagte mal ein selbsternannter Guru: " Blick gerade aus, straffe Haltung, forscher Schritt!" Kam nicht aus der Zone, sondern aus der Schweiz.
Nun denn.
Entfärbungsprozedur im Waschhaus diesmal dreifach! Rettungspaste zwischen den Gängen.
Damit das feine Haar nicht gänzlich zerfasert und sich anfühlt wie in der forensischen Abteilung. Am Ende.
Opferhaare!
Das fehlte noch. Aber man kann es sich nicht raussuchen. Der Salon leert sich. Nur noch die Meisterin und carodame.
Ich äußere den Wunsch nach einer Pizza, entscheide mich für die selbstgemachten Kekse der Frisörin. Die sind schmackhaft, was mich beruhigt. Den Blick auf die Uhr vermeide ich, mit Fortschreiten der Zeit. Einmal, ich glaube nach den ersten 2 Stunden schaue ich vorsichtig und denke: ´Na, das geht doch, dauert nicht mehr lange.´Danach, wer weiß was in den Keksen war, verschwimmt mein sonst so gutes Zeitgefühl und in beinahe euphorischem Plauderton erwarte ich den Ausgang des Abends. Das ist wie Pfeifen im Dunkeln.
Die letzte Strähne ist gefönt, ich denke- träume ich habe mehr Haare. Jedenfalls sind sie nun viel heller. Mein erster Eindruck ist gut, erleichtert irgendwie. Am nächsten Tag, was für meine neue Frisur eine Nacht im Kopfkissen bedeutet - also der ultimative Test- stelle ich beim morgendlichen Griff aufs Haupt fest, dass man doch tatsächlich Stroh zu Gold spinnen kann, so als Frisör jedenfalls.
Jetzt verrate ich das Unfassbare:
Ich habe F Ü N F, jawohl fünf ganze Stunden Lebenszeit dort gelassen. Bei Keksen.
Ich lasse mich für bekloppt erklären. Oder wechsle die Branche. Als Domina im sm- Studio.
Da brauche ich schwarze Haare.
Beim Frisör kriege ich den Stoff für absurde Träume. Ich habe einen neuen Termin vereinbart...
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